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44. Salzburger Pflegekongress − Angesagt statt abgesagt − Der ausgefallenste Pflegekongress des Jahres

Am 23. Oktober 2020 hat der diesjährige Online-Pflegekongress mit musikalischem Rahmen, Wanderungen in und um Salzburg sowie einem Gottesdienst in digitaler Form stattgefunden.

"After the Wave- Klatscht noch jemand?!" so lautete der Titel des Videovortrags von Prof.in Dr. Sandra Bensch beim 44. Salzburger Pflegekongress. (Bild: Bensch)

Knapp 55 Pflegefachpersonen aus Pflegepraxis, -wissenschaft, -management und –pädagogik waren gekommen, um sich über ihre beruflichen Erfahrungen der letzten Monate auszutauschen. Zentrales Thema war die bewusste Wahrnehmung und Anerkennung der geleisteten Arbeit Pflegender in der Corona-Krise durch Gesellschaft, Wirtschaft und Politik.

Der erste Videovortrag stammte von Lisa Kornfeld (LK Neunkirchen), die als eine der ersten Pflegefachpersonen Erfahrung mit Patient*innen mit Covid-19 gemacht hat. Sie sei am Anfang aufgeregt gewesen, berichtet sie, obwohl sie berufserfahren sei. Vorrangig habe das mit zunächst fehlender Schutzkleidung und unklaren Arbeitsabläufen sowie ängstlichen Patient*innen und Angehörigen zu tun gehabt. Besonders in Erinnerung sei ihr die Erfahrung, den ganzen Tag „ein Schutzgewand getragen“ und „ohne Trink- und Toilettenpause drei bis vier Stunden am Stück“ in der Schutzkleidung „gesteckt“ zu haben.

Der zweite Videovortrag stammte von JProf. (Univ.) Dr. Franziskus Knoll (PTH Vallendar). Er ging der Frage nach, wie sich Menschen hinter der Maske begegnen und stellte fest: „Vieles verschwindet hinter der Maske.“ Gerade jetzt komme es darauf an, dass Mienenspiel hinter der Maske aufmerksam zu lesen und dahingehend Sozialkompetenz zu entwickeln. Er appellierte an die Pflegenden, dafür sensibel zu sein und an die Pflegebildungszentren, hierfür entsprechende Reflexions- und Bildungsangebote zu entwickeln. Zudem dürfe es Menschen in Not nicht verwehrt sein, spirituelle Angebote wie Seelsorge in Kliniken und Seniorenheimen in Anspruch zu nehmen.

Der dritte Videovortrag stammte von Prof.in Dr. Sandra Bensch (KH Mainz). Sie mahnte die nach wie vor fehlende Beteiligung der Pflegewissenschaftler*innen in bundes- und landesweiten Pandemiepräventions- und –koordinationsstrategien an. Gleichzeitig stellte sie besorgt fest, dass die Corona-Krise insbesondere in den Krankenhäusern dazu führe, dass Pflegende weniger ihrer (Für)Sorgearbeit für Menschen mit Pflegebedarf nachkommen, sondern vorrangig medizinisch-assistive Tätigkeiten übernehmen. Zudem berichten Pflegefachpersonen in ihrer qualitativen Erhebung, dass sie in und nach dem Lock-Down kaum Unterstützung bzw. Wertschätzung durch ihre Vorgesetzten erfahren haben.

Im Anschluss diskutierten die Teilnehmenden angeregt in digitalen Kleingruppen. Im Ergebnis stellten sie unter anderem fest, dass...
• ...vor allem (Pflegefach)Frauen in der Pandemie (Für)Sorgearbeit geleistet haben, in den Medien jedoch kaum präsent sind bzw. zu Wort kommen.

• ...im Lock-Down oft Mut und Kreativität in der Pflegepraxis gefragt war − Beispiele und positive Erfahrungen sollten als Mut-Mach-Geschichten gesammelt werden.

• ...besonders in der ambulanten Langzeitpflege im und nach dem Lock-Down notwendige (Für)Sorgearbeit notwendig war, weil Menschen mit Pflegebedarf immer wieder und noch stärker als zuvor um Gespräche baten.

• ...der Umgang mit Ehrenamtlichen in Krankenhäusern, Seniorenheimen und ambulanten Felder während und nach dem Lock-Down stellenweise wenig wertschätzend war und die Ehrenamtlichen eher verunsicherten.

Die Geschäftsführerin des Katholischen Pflegeverbandes e. V., Irene Hößl, konstatierte, dass Pflege während und nach dem Lock-Down nicht in ihrer wirklichen Professionalität, sondern als „Aufrechterhalter*innen“ des Systems von Politik und Gesellschaft wahrgenommen wurden. Pflegehandlungen, so Hößl weiter, befinden sich nach wie vor im Krisenmodus − es werde eher reagiert als agiert.

Abschließend wurde ein Ausblick auf den 45. Salzburger Pflegekongress gegeben, der spannende Vorträge zum Thema Selbstachtsamkeit bereithält. Er findet am 21. und 22. Oktober 2021 (hoffentlich wieder) in Salzburg statt.