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Eine App für mehr Teilhabe

Team des logopädischen Forschungsprojekts BaSeTaLK testet Einsatz einer App zur Förderung der Lebensqualität von Senior*innen durch biographisch-orientierte Gespräche.

Katharina Giordano (Bild) und ihre Kolleginnen des Forschungsteams BaSeTaLK erproben aktuell den Einsatz einer App zur Förderung der Lebensqualität von Senior*innen durch biographisch-orientierte Gespräche. (© KH Mainz)

Eingeschränkte Kommunikation, wenig sozialer Austausch und emotionale wie soziale Einsamkeit – für ältere Menschen in Pflege- und Senioreneinrichtungen ist dies oftmals Teil des Alltags und kann zu einem verminderten Wohlbefinden, zunehmender Pflegebedürftigkeit oder Depression führen. Das Forschungsprojekt BaSeTaLK hat zum Ziel, mit der Entwicklung und Erprobung einer App zur Förderung des selbständigen Austauschs zur eigenen Lebensgeschichte, das psychische Wohlbefinden Betroffener zu steigern und deren soziale Teilhabe zu stärken. BaSeTaLK steht für Tablet-gestützte Biographiearbeit in Senioreneinrichtungen. „Aktuell haben wir mit dem Abschluss der ersten Projektphase einen wichtigen Meilenstein erreicht. Die grundlegende App-Entwicklung ist abgeschlossen und der Prototyp wird nun unter der Mitwirkung von Ehrenamtlichen und Bewohner*innen von Senioreneinrichtungen getestet“, freut sich Katharina Giordano, die als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Projekt tätig ist.

Aufgrund der Coronapandemie erfolgt die Erprobungsphase derzeit rein digital. „Anfang des Jahres wurden alle Ehrenamtlichen im Umgang mit der App, aber auch mit Blick auf die Gesprächsführung oder Kenntnisse zur Biographiearbeit, geschult. Da die Gespräche und die Schulung selbst über Videokonferenzen ablaufen, spielten die technischen Aspekte natürlich eine größere Rolle als ursprünglich gedacht“, erzählt Katharina Giordano. Rückblickend habe sich diese Situation allerdings als Barriere und Chance zugleich erwiesen. „Ganz praktische Dinge, wie schlechter Empfang oder geringe technische Vorkenntnisse, machen es natürlich teilweise erst einmal etwas schwieriger. Gleichzeitig haben uns einige der Beteiligten erzählt, dass sie durch die Teilnahme am Projekt nochmal einen komplett neuen Zugang zur Technik bekommen haben und sich nun auch generell eher trauen, digitale Angebote zu nutzen.“

Die App dient den Ehrenamtlichen als eine Art Moderationshilfe. Anhand möglichst einfacher Sprache, Fragetechniken und Bildern soll zu Gesprächen über lebensgeschichtliche Themen angeregt werden. Zu diesen biographischen Themen zählt etwa das Reisen. Fragen zu eigenen Reiseerfahrungen oder einfaches Kartenmaterial und Bilder von Reisezielen sollen beispielsweise den Austausch zu diesem Themenbereich fördern. Erste Rückmeldungen zum praktischen Einsatz der App stimmen positiv. „Wir stehen mit den Mitwirkenden regelmäßig in Kontakt. Gerade gestern hat mir eine Ehrenamtliche berichtet, dass die App ein wunderbarer Ansatz sei, um auf frühere Erinnerungen zurückgreifen zu können. Besonders gefreut hat mich die Rückmeldung einer Bewohnerin, die mir sagte, dass sie sich schon auf das nächste Gespräch sehr freue“, erzählt Katharina Giordano. Eine Ehrenamtliche habe die integrierten Fotos als Seelenöffner bezeichnet, was den stimulierenden Charakter der App betone.   

Biographiearbeit gewinnt in der logopädischen Forschung und Praxis zunehmend an Bedeutung. „Häufig wird mit der Logopädie die Behandlung von Sprech- oder Sprachstörungen verbunden. Immer mehr Aufmerksamkeit erfährt jedoch auch das Schaffen oder Ermöglichen von Kommunikation bei nicht erkrankten Personen im Sinne einer präventiven Maßnahme. Im Fokus stehen Aspekte wie Lebensqualität, Teilhabe und ein positives Identitätserleben, die unter anderem durch biographie-orientierte Ansätze gefördert werden sollen“, erläutert Dr. Sabine Corsten, Professorin für Logopädie an der KH Mainz und Leiterin sowie Koordinatorin des Projekts.  

Durch die aktuelle Coronalage hätten die Gespräche für die Beteiligten eine besondere Stellung erhalten, schildert Katharina Giordano. „Wir hätten uns natürlich eine Erprobung im direkten Austausch gewünscht. Trotzdem sind wir froh, dass wir den Einsatz der App in digitaler Form umsetzen konnten. Denn gerade jetzt sind die Gespräche für die Bewohner*innen aber auch die Ehrenamtlichen besonders wichtig. Das Gefühl, in dieser Zeit durch die gemeinsamen Gespräche helfen zu können und einen Kontakt herzustellen, ist zudem für die Ehrenamtlichen nochmals eine zusätzliche Motivation.“

Das Projekt BaSeTaLK läuft bis Ende Sommer 2022 und wird mit rund 650.000 Euro über die Förderlinie FH-Sozial des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert. Die Umsetzung erfolgt in Kooperation der Katholischen Hochschule Mainz (KH Mainz) mit der Ostbayerischen Technischen Hochschule Regensburg (OTH Regensburg) sowie in Zusammenarbeit mit Dr. Annie Hill und Sarah J. Wallace PhD, beide von der University of Queensland Brisbane, sowie Professorin Miranda Rose von der La Trobe University Melbourne. Nach Abschluss des Projekts soll die App für den Einsatz in Pflegeeinrichtungen und möglichen anderen Settings frei zur Verfügung stehen.