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Praktikum in Indien: Love-Learn-Live

© Herter

Mit der Hilfsorganisation "Interplast" hat Anna-Lena Herter als Physiotherapeutin und Studentin des Bachelorstudiengangs Gesundheit und Pflege (Schwerpunkt Klinische Expertise) ein dreiwöchiges Praktikum in Indien absolviert.

Was hat Sie motiviert mit Interplast nach Indien zu gehen?
Schon vor Beginn meiner Ausbildung war ich motiviert einen solchen Einsatz zu begleiten, da ich das Gefühl hatte, mich vor Ort als Physiotherapeutin mit meinen Fähigkeiten einbringen zu können. Durch meine Mitgliedschaft in der Hilfsorganisation Love-Learn-Live e.V. konnte ich mich vorab über die Region informieren und erste Eindrücke gewinnen. Als dann die Zusage von Interplast kam, dass ich ein Team nach Indien begleiten darf, ging für mich ein Traum in Erfüllung.

Können Sie uns bitte Ihre Aufgabenschwerpunkte während des Praktikums beschreiben? Welche neuen Lernerfahrungen haben Sie dort gemacht?
Mein Aufgabenschwerpunkt bezog sich zum einen auf den ambulanten Bereich und zum anderen auf die stationäre Nachbehandlung der postoperativen Patienten. Im ambulanten Bereich traf ich auf Patienten mit sehr unterschiedlichen Beschwerdebildern. Arthrosen, Schlaganfälle, infantile Zerebralparesen, Frakturen aber auch immunologische Erkrankungen wie HIV gehörten zu der Liste der Diagnosen. Im stationären Bereich arbeitete ich prophylaktisch, mobilisierte und lagerte Patienten, die einen plastisch-operativen Eingriff hatten.
Neue Lernerfahrungen bestanden für mich vor allem darin, dass ich einen extremen, aber vermutlich realistischen Eindruck des „First Contact“ (Anmerkung der Newsletter-Redaktion: Direktzugang, d.h. Physiotherapie ohne vorherige ärztliche Diagnose bzw. Konsultation) bekommen habe, welcher zu manchen Zeiten auch etwas überfordernd sein konnte. Zudem hatte ich jederzeit Zugang zum OP-Bereich. Ich beobachtete Patienten in der postoperativen Aufwachphase oder legte Verbände und Gipse an. Sehr lehrreich war dort vor allem, dass ich ab und zu bei OPs assistieren durfte und so einen neuen Einblick in die anatomischen Strukturen bekam. Was mich ebenfalls sehr interessiert hat, waren die Behandlungen auf der Frühchenstation. Gemeinsam mit einer OP-Schwester versorgte ich Säuglinge mit Gipsverbänden, um angeborene Fußfehlstellungen zu korrigieren.

Was hat Ihnen besonders gut an dem Praktikum gefallen? 
Eine schöne Erfahrung für mich war die therapeutische Arbeit mit einem Epilepsiepatienten. Aufgrund seiner Tetraspastik (Anmerkung der Newsletter-Redaktion: spastische Lähmung aller vier Extremitäten) und einer längeren Zeit der Immobilisation, lernte er wieder an einem Gehbock zu gehen.

Gab es auch Schwierigkeiten während des Praktikums, die Sie zu bewältigen hatten?
Schwierigkeiten gab es manchmal bei der Verständigung. Nur wenige Erwachsene und Kinder in diesem Gebiet sprechen Englisch. Ohne das Krankenhauspersonal, mit entsprechender Ausbildung, wären die nötigen Absprachen nicht zustande gekommen und hätten den gut geplanten Ablauf sehr ausgebremst. Schwierig aus therapeutischer Sicht waren für mich die Patienten, die sich bei mir ambulant untersuchen ließen. Nur wenige hatten eine vorherige ärztliche Diagnose bekommen. Dieser „First Contact“ war für mich wirklich Neuland. Sowohl in der Ausbildung als auch an meiner jetzigen Arbeitsstelle hatte und habe ich immer die Chance, mich an erfahrenere Therapeuten und Therapeutinnen zu wenden. Jetzt war ich in meiner Therapie weitestgehend auf mich alleine gestellt und musste mich auf das verlassen, was ich bisher gelernt hatte. Es war also ein Sprung ins kalte Wasser.

Welche Herausforderungen mussten Sie meistern und waren diese damit verbunden, dass Sie das Praktikum im außereuropäischen Ausland durchgeführt haben?
Die Vorlaufzeit für das Praktikum war für mich glücklicherweise durch einen persönlichen Kontakt zu einer Ärztin des Interplast-Teams sehr reduziert. Der Kontakt und die Zusage entstand Ende November und im Februar fand der Einsatz schon statt. Jeder, der auch ein Praktikum in diesen Regionen plant, sollte aber deutlich mehr Zeit einplanen, um alles zu organisieren. Punkte, wie die Buchung des Flugs und der Unterkunft, den Transport vor Ort, den Ablauf der Einsatzwochen und jegliche Absprachen vor Ort waren bereits durch das sehr erfahrene Interplast-Team organisiert und geplant. Letztendlich musste ich mich selbst nur um die nötigen Impfungen und das Visum kümmern und was ich als Physiotherapeutin vor Ort benötigte. Danach musste das Praktikum noch vom Prüfungsamt genehmigt werden und schon ging es los!

Wie lange vorher haben Sie das Praktikum geplant und welche Dinge mussten organisiert werden?
Unterstützt wurde ich bei diesem Einsatz von zwei Organisationen. Zum einen bin ich seit Jahren Mitglied bei der Hilfsorganisation Love-Learn-Live e.V., die einen Schulcampus in der Region fördert. Die beiden Vorstandsmitglieder von Love-Learn-Live, Gisela Nikodemus und Dr. Petra Carqueville, stehen durch enge Zusammenarbeit im ständigen Austausch mit Dr. Eva Borsche, die den Interplast-Einsatz in Indien plant. Über diesen Weg entstand der direkte Kontakt und von ihnen wurde ich in der Zeit davor und währenddessen sehr unterstützt. Zudem unterstützte mich meine Physiotherapiepraxis, die mich nicht nur für den benötigten Zeitraum von meiner Arbeit freistellte, sondern mir auch noch eine zweckgebundene Spende mit auf den Weg gab. Die steigende Aufregung in den Tagen vor dem Einsatz wurde vor allem von meiner Familie und meinem Freund abgefangen.
Als Tipp für Kommilitonen mit Interesse an einem Auslandspraktikum kann ich daher vor allem den Aufbau von persönlichen Kontakten empfehlen, da es viele schriftliche Bewerbungsverfahren unnötig macht und weniger bürokratische Hürden zu nehmen sind.

Wenn Sie für Ihr durchgeführtes Praktikum ein Motto festlegen sollten, welches wäre das?
Love-Learn-Live – Der Slogan der Hilfsorganisation, die mich unterstützt hat!
Der Lerneffekt als Physiotherapeutin war einfach sehr hoch. Zudem erlebte ich eine enorme Gastfreundschaft und großes Vertrauen der Menschen dort und den Zugewinn an neuen Freundschaften. Die beruflichen und emotionalen Erfahrungen möchte ich nicht missen wollen und ich bin dankbar für jeden neuen Eindruck.

Websiten der Hilfsorganisationen:
http://love-learn-live.de/index.html
http://www.interplast-germany.de

 

Das Gespräch mit Anna-Lena Herter führte Dörthe Höhle, Praxisreferat Gesundheit und Pflege