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Erfrischende Lebensart und wertschätzendes Arbeiten

© Steinberg

Im Rahmen seines Masterstudiengangs Klinische Expertise hat Boris Steinberg im vergangenen Jahr ein vierwöchiges Praktikum in Luxemburg absolviert. Vor Ort war er in einer sozialpsychiatrischen Einrichtung (ambulant/stationär) für Menschen mit psychischen Erkrankungen tätig. 

Was hat Sie motiviert nach Luxemburg zu gehen?
Ausschlaggebend für meinen Wunsch mein Praktikum im Ausland zu absolvieren, waren mein Interesse an Irland, die Frage ob ich mit meiner amerikanischen Frau nicht vielleicht doch noch dorthin auswandern möchte und mein Interesse, einfach mal über den Tellerrand zu schauen und zu sehen wie die Kollegen im Ausland so arbeiten. Zudem bestand der Wunsch, die mir zur Verfügung stehende studentische Freiheit soweit auszunutzen wie es nur irgendwie geht. Ich habe mit Mitte 40 glücklicherweise nochmal die Möglichkeit „Unfug“ zu machen. Dass es dann Luxemburg wurde, hatte ganz praktische Gründe. In Irland und Nordirland gab es zu viele Hürden. So werden studentische Praktika generell durch die Hochschulen vergeben und Initiativbewerbungen haben die angesprochenen Einrichtungen logistisch überfordert.

Warum haben Sie sich entschieden in dieser Einrichtung ihr Praktikum zu absolvieren?
Die Wahl auf Liewen Dobaussen A.s.b.l. ist nach einer oberflächlichen Google-Recherche recht schnell gefallen. Ein erster Telefonkontakt war freundlich und mündete wenige Tage später in einem schnellen persönlichen Kennenlernen. Das Versorgungsangebot und die strukturelle Einbindung der Liewen Dobaussen A.s.b.l. deckt sich fast vollständig mit der Einrichtung in der ich selbst arbeite, zudem ist Nord-Luxemburg von meinem Zuhause aus gut erreichbar.

Beschreiben Sie bitte kurz Ihre Aufgabenschwerpunkte während des Praktikums. Welche neuen Lernerfahrungen haben Sie dort gemacht?
Aufgabenschwerpunkte waren die Begleitung der Klienten einer stationären Wohneinrichtung bei allen lebenspraktischen Tätigkeiten, darüber hinaus die Mitarbeit in einem offenen Begegnungsangebot für psychisch kranke Bürger und Hospitationen im sozialpsychologischen Angebot der Einrichtung und den unterstützenden Angeboten der Tagesstruktur und der Freizeit. Zudem habe ich den administrativen Teil der dortigen Arbeit durch die Teilnahme an teaminternen Besprechungen und fallbezogenen Gesprächen kennengelernt. Eine Lernerfahrung war für mich der Unterschied der luxemburgischen Mentalität zur deutschen, die einen unmittelbaren Einfluss auf den Umgang mit den dortigen Klienten hatte: z.B. die professionelle Haltung der Pflegefachkräfte und der Erzieher gegenüber den Klienten.

Was hat Ihnen besonders gut an dem Praktikum gefallen. Was war besonders schön?
Neben den landschaftlichen und kulinarischen Vorzügen der Region Nord-Luxemburgs, ist die luxemburgische Lebensart eine durchaus erfrischende Erfahrung. Die Menschen dort sind im Allgemeinen lösungsorientiert und die Luxemburger sind Fremden gegenüber sehr offen. Dies in Verbindung mit sozialpsychiatrischer Versorgung sorgt für ein Arbeitsklima, dass von Respekt, Entgegenkommen, Offenheit und Wertschätzung geprägt ist.

Gab es auch Schwierigkeiten während des Praktikums, die Sie zu bewältigen hatten?
Mit langjähriger Berufserfahrung in der Sozialpsychiatrie fällt es einem in der Rolle eines Praktikanten nicht unbedingt leicht, zurückzuschalten und die Rolle des Beobachters einzunehmen, ohne dabei allzu zittrig zu werden und mit anpacken zu wollen. Das in solchen Situationen eintretende schlechte Gewissen zu besänftigen fiel mir zum Teil schwer, auch wenn die Mitarbeiter immer wieder betonten, ich solle mir diesbezüglich keine Gedanken machen, schließlich sei ich ja Praktikant.

Welche Herausforderungen mussten Sie meistern und waren diese damit verbunden, dass Sie das Praktikum im Ausland durchgeführt haben?
Das Hineinhören in die letzeburgische Sprache benötigte ein gutes Ohr für Dialekte. Vier Wochen waren jedoch für erste autodidaktische Lernerfolge ausreichend, was auch den Kontakt zu den Klienten merklich förderte. Auch das Finden einer geeigneten Unterkunft innerhalb des eigenen Budgets gestaltete sich zuerst schwierig. Eine Lösung fand ich dann aber direkt vor der Haustür - die Gemeindeverwaltung Witz vermietete mir ein Studentenzimmer.

Wie lange vorher haben Sie das Praktikum geplant und welche Dinge mussten organisiert werden?
Durch die lange Zeit, die ich in das vergebliche Finden eines Platzes in (Nord-)Irland investiert hatte, war die Zeit, die ich in die konkrete Planung meines Aufenthaltes in Luxemburg investieren konnte eher knapp bemessen. Der Erstkontakt per Mail fand kurz vor Weihnachten statt, das Kennenlernen wenig später und der Mietvertrag für das Zimmer der Gemeinde war noch vor Mitte Januar unter Dach und Fach. Der Praktikumsbeginn war dann Anfang Februar 2019.

Durch welche Personen wurden Sie unterstützt?

Das Praxisreferat der KH Mainz hat mich beraten und gab mir hilfreiche Tipps bei der Suche nach einem Praktikumsort. Den Rest der Organisation habe ich alleine gestemmt.

Welche Tipps würden Sie Kommilitonen/-innen geben, die ebenfalls ein Praktikum im Ausland absolvieren möchte?

Als Tipp würde ich aus meiner Erfahrung sagen, dass eine Initiativbewerbung direkt beim Entscheidungsträger weitaus ressourcenschonender ist, als über Kontaktformulare oder unbeteiligte Dritte zu gehen. Daher: erst herausfinden wer das Praktikum genehmigen darf und dann denjenigen direkt ansprechen. Hierzu bietet es sich vielleicht an, eine tendenziell kleinere Organisation zu wählen.