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Pflegemangel europaweit entgegenwirken

Internationaler Workshop zur Rationierung in der Pflege an der Katholischen Hochschule Mainz.

Den Nachmittag eröffnete Sabine Bätzing-Lichtenthäler, Ministerin für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie des Landes Rheinland-Pfalz, mit einem Grußwort (von links: Prof. Dr. Renate Stemmer, Sabine Bätzing-Lichtenthäler, Prof. Dr. Monika Habermann).

Rund 40 Teilnehmer waren der Einladung zum internationalen Workshop "Missed Nursing Care - impacts and interventions" an der KH Mainz gefolgt. Bilder: © KH Mainz

Beim heutigen internationalen Workshop „Missed Nursing Care – impacts and interventions“ an der Katholischen Hochschule Mainz beschäftigten sich rund 40 Experten aus mehreren europäischen Ländern mit dem Thema Rationierung in der Pflege und dessen Bedeutung für Ausbildung und Studium. „Rationierung in der Pflege bedeutet, dass Patienten nicht die pflegerische Leistung bekommen, die sie bekommen sollten – beispielsweise aufgrund von Zeitmangel oder einer schwierigen Personalsituation. Es kommt zu einem technischen Abarbeiten pflegerischer Aufgaben, einer unzureichenden Betreuung der Patienten; Fragen werden nicht ausreichend beantwortet oder es fehlt schlichtweg an Zuspruch und Trost“, erläutert Prof. Dr. Renate Stemmer, Professorin für Pflegewissenschaft und Pflegemanagement an der KH Mainz.

Untersuchungen zeigten, dass dieses Phänomen zunimmt und der Mangel in der pflegerischen Versorgung ein europaweit hochrelevantes Thema darstelle, ergänzt Stemmer. Vor diesem Hintergrund wurde 2016 eine COST Aktion ins Leben gerufen, der Deutschland beigetreten ist. Das Akronym COST steht für European Cooperation in Science and Technology. COST ist eine zwischenstaatliche Organisation und wird vom EU-Rahmenprogramm Horizon 2020 gefördert. Die COST Aktion „RANCARE: Rationing – Missed Nursing Care: An international and multidimensional problem” wurde von Zypern eingebracht. Insgesamt 28 europäische Länder nehmen daran teil. Für Deutschland hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) Prof. Dr. Renate Stemmer und Prof. Dr. Monika Haberman, Hochschule Bremen, berufen.

Was bedeutet die Rationierung für Personen, die sich in der pflegerischen Ausbildung oder am Anfang ihrer beruflichen Tätigkeit befinden? Wie kann gute Pflege trotz dieser Situation eingeübt und in der Praxis realisiert werden? Diese Fragen standen im Fokus der Diskussion und wurden in Vorträgen und Workshops bearbeitet. „Wir erleben immer wieder, dass junge Menschen ihre Ausbildung oder ihr Studium in der Pflege abbrechen, da sie die Spannung zwischen Ausbildungsanspruch und dem Erleben in der Praxis nicht aushalten können“, erzählt Stemmer. Einen Ansatz um gute Pflege trotz dieses Spannungsfeldes einzuüben und Frust zu vermeiden, bildet beispielsweise das Konzept der Ausbildungsstationen, welches von Prof. Dr. Klaus Müller, Frankfurt University of Applied Sciences, vorgestellt wurde. „Eine Ausbildungsstation wird für einen gewissen Zeitraum von den Auszubildenden bzw. Studierenden geleitet. Alle Arbeitsprozesse werden reflexiv begleitet, sodass das Lernen sehr bewusst und nachhaltig geschieht. So kann eine hohe Handlungssicherheit in der Patientenversorgung erreicht werden“, erläutert Stemmer.

Einen weiteren Ansatzpunkt sehen die Experten in Fragen der Zusammenarbeit von Medizinern, Pflegepersonal und Gesundheitsfachberufen. Interprofessionelles Teamwork könne dazu beitragen Prozesse und die Kommunikation zwischen den Berufsgruppen zu optimieren. Dies sei letztlich vor allem eine Frage der Haltung, des Vertrauens und der Wertschätzung, betont Stemmer. „In Deutschland haben wir nach wie vor ein sehr hierarchisches System und eine hohe Unselbständigkeit in der Pflege. Wenn Kompetenzen aus strukturellen Gründen nicht umgesetzt werden können, macht dies den Beruf unattraktiver. Da ist man in skandinavischen Ländern durchaus weiter“, berichtet Stemmer.

In ihrem Grußwort betonte Sabine Bätzing-Lichtenthäler, Ministerin für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie des Landes Rheinland-Pfalz: „Die Landesregierung hat in den letzten Jahren verschiedene Initiativen auf den Weg gebracht, um auch zukünftig eine hochwertige medizinische und pflegerische Versorgung der Menschen in Rheinland-Pfalz durch ausreichend und gut ausgebildete Pflegekräfte sicherzustellen. Die Katholische Hochschule, und insbesondere Frau Prof. Stemmer, begleitete diese Initiativen aus Sicht der Pflegewissenschaft. Auch in der neuen „Fachkräfte- und Qualifizierungsinitiative Pflege 2.0, 2018-2022“ ist die Katholische Hochschule wieder ein wichtiger Partner bei der Weiterentwicklung der Ausbildungs- und Rahmenbedingungen der Pflegeberufe. Dazu zählt auch das Thema der Aufgabenneuverteilung im Gesundheitswesen.“

„Forschungsergebnisse und den Recherchestand auf europäischer Ebene mit Kolleginnen und Kollegen diskutieren zu können, bietet die Möglichkeit das Gesamtproblem genauer und differenzierter zu erfassen. Für viele Länder gilt es, die Rationierung in der Pflege erst einmal in allen Teilen greifbar zu machen“, sagt Stemmer. Bis 2020 wolle man innerhalb des COST-Netzwerks weiter daran arbeiten die Problematik europaweit besser zu verstehen und mit einer großen, länderübergreifenden Studie anzugehen.