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„Mit gutem Gewissen loyal“

Digitaler Studientag des Fachbereichs Praktische Theologie zum Umgang mit Brennpunktthemen der Kirche in der seelsorgerischen Praxis.

Studierende und Ehemalige diskutierten mit Expert*innen beim Digitalen Studientag den Umgang mit Brennpunktthemen der Kirche in der seelsorgerischen Praxis. (© KH Mainz)

Machtmissbrauch, Geschlechterrollen oder Homosexualität – wie geht man als Mitarbeiter*in mit diesen Krisenthemen der Kirche und den sich hieraus ergebenden Spannungsfeldern in der seelsorgerischen Praxis um? Unter dem Motto „Mit gutem Gewissen loyal“ haben rund 50 Studierende und Ehemalige des Fachbereichs Praktische Theologie am 02. Juli 2021 den Umgang und das Ringen mit diesen und ähnlichen Fragestellungen zusammen mit Expert*innen aus Wissenschaft und Praxis diskutiert.

„Für Menschen, die als Seelsorgerinnen und Seelsorger tätig sind, bedeutet die aktuelle Situation der Kirche häufig, zwischen den Stühlen zu sitzen. Oft wird dann um die Frage gerungen, ob man in dieser Kirche eigentlich arbeiten will und wie die Mitarbeitenden mit der Situation umgehen sollten. In Gesprächen mit Studierenden ist deutlich geworden, wie sehr dieses Ringen auch sie bewegt. Mit dem diesjährigen Studientag wollen wir daher ein Austauschforum bieten und Menschen zu Wort kommen lassen, die bereit sind, von ihrem Umgang und ihrem Ringen zu erzählen“, berichtet Professorin Dr. Clarissa Vilain, Organisatorin des Studientags und Professorin für Pastoraltheologie an der KH Mainz. Die Verantwortlichen der Hochschule habe es besonders gefreut, mit Brigitte Schmidt, Burkhard Hose, Patrick Bauer und Eric Tilch Referent*innen gewinnen zu können, die engagiert und profiliert für Themen einstehen, die aktuell in der katholischen Kirche Brennpunkte darstellen. In Impulsvorträgen erzählten die Referent*innen von ihren persönlichen Erfahrungen im Umgang mit Fragen des Machtmissbrauchs, der Homosexualität oder der Verbindung von Amt und Geschlecht in der katholischen Kirche. Die sich anschließenden Austauschrunden in Kleingruppen sowie im Plenum boten Raum für intensive Gespräche.

„Für mich war die Anfrage von Schwester Philippa Rath [für ihr Buch „Weil Gott es so will“ (Anm. d. Verf.)] nach persönlichen Lebenszeugnissen von Frauen, die sich in Vergangenheit und Gegenwart zum Diakoninnen- und zum Priesterinnenamt berufen fühlten und fühlen und ihre Berufung aus bekannten Gründen nicht leben konnten und können, der Kairos. Eine andere Konfession annehmen, kommt für mich nicht in Frage. Ich suche Wege in der katholischen Kirche und dort – nun nicht mehr hauptamtlich, aber ehrenamtlich – zu wirken, dafür brenne ich“, berichtete Brigitte Schmidt, die 38 Jahre als Pastoralreferentin im Erzbistum Köln tätig war und seit ihrer Entscheidung für das Ausscheiden aus dem Dienst als freiberufliche Seelsorgerin arbeitet. Aus ihren Erfahrungen heraus setzt sie sich insbesondere für die Gleichberechtigung der Frauen in der Kirche ein.
Burkhard Hose arbeitet als Hochschulpfarrer in Würzburg. Zuletzt machte er sich für die Segnung von gleichgeschlechtlichen Paaren stark und stellte sich damit gegen das Dokument der vatikanischen Glaubenskongregation. „Es geht um die Loyalität zwischen Menschen. Es geht nicht um Duldung, sondern dass sich wirklich etwas ändert, zum Beispiel die Grundordnung“, betonte Burkard Hose.
Ebenfalls zum Thema Homosexualität berichtete Eric Tilch von seinen Erfahrungen. Er studiert an der KH Mainz und ist Jugendbildungsreferent in der Jugendkirche Kana, Wiesbaden sowie Mitglied im Arbeitskreis Queere Jugendarbeit im Bistum Limburg.
Patrick Bauer ist Gemeindereferent und nach mehreren Stationen in Gemeinden des Erzbistums Köln aktuell als Gefängnisseelsorger in Siegburg tätig. Er war Sprecher des Beirats von Betroffenen sexualisierter Gewalt beim Erzbistum Köln. Aufgrund von fehlendem Vertrauen und der nicht erfolgten Veröffentlichung der ersten Missbrauchsstudie trat er von diesem Amt zurück. „Ich habe keine Geduld mehr. Aber immer weiter darum zu kämpfen, dass Aufklärung weitergeht und sich wirklich etwas ändert, das ist wichtig. Ich bin Seelsorger und das nimmt mir niemand. Das ist der tollste Beruf der Welt“, unterstrich Patrick Bauer.

Bereichernd, intensiv aber auch bewegend und berührend - so beschreiben die Teilnehmenden rückblickend den Studientag des Fachbereichs. „Ich bin super begeistert, ein Format angeboten bekommen zu haben, das auf aktuelle Gedanken, Fragen und Ängste von uns Studierenden sowie den Alumni direkt Bezug genommen und einen angemessenen, bereichernden und aufschlussreichen Input gegeben hat. Die sehr lebendigen Ausführungen der Referentinnen und Referenten und ihre Ehrlichkeit haben mich sehr beeindruckt und inspiriert“, berichtet eine Studierende nach der Veranstaltung. Auch Matthias Beer, Gemeindereferent und ehemaliger Studierender der KH Mainz, ist über den offenen Austausch begeistert. „Die persönlichen Statements waren für mich sehr bewegend. Besonders gut war für mich die Möglichkeit, mit den Referentinnen und Referenten, Studierenden, Dozierenden und Ehemaligen des Fachbereichs Praktische Theologe ins Gespräch zu kommen und die Berichte mit den eigenen Erfahrungen aus der Pastoral abzugleichen. Mit gutem Gewissen loyal zu sein, das gelingt mir am besten, wenn ich mich mit Kolleginnen und Kollegen zusammenschließen und austauschen kann“, resümiert Matthias Beer.

Der Studientag des Fachbereichs Praktische Theologie findet einmal jährlich statt und greift aktuelle Themen aus Kirche und Gesellschaft auf, die in Studium und Praxis diskutiert werden. Clarissa Vilain freut sich über die große Resonanz, die der diesjährige digitale Studientag bei Studierenden und Ehemaligen gefunden hat und betont: „Der Platz zwischen den Stühlen ist ein wichtiger, aber nicht immer ein angenehmer Platz. Der Studientag hat gezeigt, wie wertvoll und hilfreich es ist, offen und ehrlich über konkrete Themen und persönliche Wege zu sprechen.“

⇒ Fachbereich Praktische Theologie