Laut Hochschulrektorenkonferenz geht es in der Hochschullehre nicht nur darum, Studierende fachlich zu qualifizieren. Hochschulen für angewandte Wissenschaften und Universitäten sehen ihren Auftrag auch darin, die Persönlichkeitsentwicklung junger Menschen zu fördern und „als Zentren demokratischer Kultur […] zur produktiven Diskussion um die Bewältigung der großen gesellschaftlichen Herausforderungen“ beizutragen (Hochschulrektorenkonferenz 2018: 2). Einen wichtigen Beitrag zur Erfüllung dieses Auftrags können künstlerische und kulturelle Angebote an Hochschulen leisten. In einer Studie zum kulturellen Engagement von Studierenden konnten Ulrike Gerdiken und Barbara Lämmlein darlegen, dass dieses Engagement den Studierenden den Einstieg in das Studium erleichtert, ihnen einen Blick über den eigenen Fachbereich hinaus ermöglicht, ihre Resilienz stärkt und die Identifikation mit der eigenen Hochschule erhöht. Dadurch steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sie ihr Studium motiviert bewältigen und erfolgreich abschließen (Gerdiken/Lämmlein 2022: Von Bigband bis Urban Gardening. Motivationale Gründe Studierender für ein kulturelles Engagement an Hochschulen. doi.org/10.25529/cv44-6519). Eine weitere Studie der Autorinnen zur Bedeutung von Kultureller Bildung für angehende Führungskräfte zeigt, dass die Auseinandersetzung mit Kunst und Kultur einen großen Einfluss auf die persönliche Entwicklung der Studierenden hat. Sie hinterfragen eingefahrene Deutungs- und Handlungsmuster, lernen, Verantwortung zu übernehmen und abzugeben und erleben den Mehrwert von Vielfalt und Diskurs (Gerdiken/Lämmlein/Lutz-Vock 2021: Durch Kulturelle Bildung zu Good Leadership? Über die Auswirkungen von Kunst und Kultur auf die Entwicklung angehender Führungskräfte. München. kopaed).
Kulturelle Bildung hat das Potenzial, Studierende in ihrer persönlichen und sozialen Entwicklung zu fördern. Dafür ist eine angeleitete Reflexion des kulturellen Handelns notwendig. Hochschulen sollten darum nicht nur ihre Angebote für kulturelles Engagement erhalten und ausbauen, sondern begleitende, mit ECTS belegte Reflexionsseminare z. B. im Rahmen eines „Studium Generale“ etablieren. Mit dem Projekt „Kulturprojekte an Hochschulen“ soll ein Konzept für ein solches Reflexionsseminar entwickelt, erprobt, evaluiert und im Anschluss Hochschulen zur Verfügung gestellt werden.
Seit dem Sommersemester 2020 bietet Ulrike Gerdiken das Wahpflichtmodul „Kultur-Projekt“ an der Hochschule Neu-Ulm an. In diesem Modul entwickeln die teilnehmenden Studierenden ein selbstgewähltes künstlerisch-kreatives Projekt. Sie erarbeiten einen Projektplan, formulieren ein Motivationsschreiben und führen ein regelmäßiges Lerntagebuch, in dem sie ihre Entwicklungsschritte und die Entwicklung des Projekts dokumentieren. In begleitenden Seminarsitzungen und Einzelterminen besprechen und reflektieren sie, wie sich ihre personalen und sozialen Kompetenzen durch die Erarbeitung ihrer künstlerisch-kreativen Projekte entwickeln. Die Projekte werden am Ende des Semesters hochschulöffentlich im Rahmen eines Kulturabends präsentiert. Seit dem Sommersemester 2023 wird das Modul nach der Design Based Research-Methode beforscht und weiterentwickelt. Die Lerntagebücher und Reflexionsgespräche aus drei Semestern werden aktuell nach der Methode der Grounded Theory ausgewertet. Die Ergebnisse fließen in die Weiterentwicklung des Seminars ein.