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Gespräche im (Un)-Ruhestand

© Steichele

Prof.in Dr. Hanneliese Steichele war von 1977 bis 2008 als Professorin für Altes und Neues Testament im Fachbereich Praktische Theologie der KH Mainz tätig.

Liebe Frau Professorin Steichele, Sie sind seit dem Sommersemester 2008 im Ruhestand. Was haben Sie seitdem gemacht?
Ich kann es nicht lassen und bin noch immer – wenn auch in Maßen -  exegetisch tätig. Ich halte Vorträge und schreibe Artikel, wobei mich derzeit am meisten die Frage umtreibt, wie sich heute – in einer Zeit „transzendentaler Obdachlosigkeit“ (G.  Lukács) – von Gott sprechen lässt. Seit zwei Semestern bin ich zudem „Seniorenstudentin“ an der Münchner Uni und genieße es, in andere Disziplinen hineinzuhorchen.  Eigentlich wollte ich im Ruhestand auch meine Kochkenntnisse verbessern. Das habe ich aber schnell aufgegeben. Frau muss lernen, ihre Grenzen zu akzeptieren!  

Welche Wünsche haben Sie an Ihr weiteres Leben?
Ein „ganzer Mensch“ zu werden, das ist eine Lebensaufgabe. Da gibt es auch im Alter noch viel zu lernen! Inspirierend sind hier für mich die Bücher des amerikanischen Psychoanalytikers Irvin Yalom mit ihrer herzhaften Menschlichkeit.  

Wenn Sie auf die Zeit an der Katholischen Hochschule zurückblicken: Wie bewerten Sie diese Zeit für sich persönlich?
Dass ich an die KH gekommen bin, war für mich ein Glücksfall. Gerade die Verbindung von wissenschaftlicher Exegese und praktischer Umsetzung und Vermittlung habe ich sehr geschätzt. Auch den intensiven Kontakt mit den Studierenden!

Was war Ihnen ein wichtiges Anliegen als Lehrende an der KH?

Ich vertrat immer das „Lustprinzip“: Die Beschäftigung und Auseinandersetzung mit der Bibel müssen Spaß machen – den Studierenden, aber auch mir als Dozentin. Dann läuft vieles von alleine!

Fällt Ihnen ein außergewöhnliches bzw. besonders witiziges oder schönes Erlebnis an der KH ein? Beschreiben Sie es bitte kurz!   
Ich war noch nicht lange an der KH. Da war eines Morgens mein roter VW-Käfer, den ich damals fuhr, rundum in weißes Klopapier eingewickelt. Ich vermutete die „bösen Buben“  aus meiner Nachbarschaft hinter diesem Streich. Dann aber entdeckte ich im Foyer der KH ein großes Bild mit meinem eingewickelten VW-Käfer und ich wusste, dass die „bösen Buben“ hier an der KH waren. Ich brachte unter dem Bild einen Zettel an mit der Aufschrift: Wer mir den Täter nennt, erhält 1 Flasche Sekt. Eine Stunde später war darunter ein Zettel angebracht: “Wer schweigt, erhält 2 Flaschen Sekt“.  Am Ende war ich - meiner Erinnerung nach-  mehr als 6 Flaschen Sekt los.

Hier haben Sie die Möglichkeit, „Ihren“ Ehemaligen noch ein gutes Wort oder einen guten Rat mit auf den Weg zu geben! 
„Sorgt euch nicht um morgen … Denn jeder Tag hat genug an seiner eigenen Plage“ (Mt 6,34).

Wir überlegen zur Zeit in einer Arbeitsgemeinschaft mit Professoren/-innen und Studierenden, was gute Lehre ausmacht. Können Sie uns einen Tipp geben, einen Rat, einen Hinweis o.ä. ?
Es bieten sich heute – gerade durch Beamer und Internet - neue Möglichkeiten der Präsentation und Vermittlung. Da möchte ich als „Ruheständlerin“ keinen Rat mehr geben.

Welchen Rat können Sie Studierenden für das Studium geben?

Gerade im 1. Semester sollte man sich nicht von der Stoffmenge einschüchtern lassen, sondern an einem Punkt einsteigen, der die eigenen, persönlichen Fragen berührt. Auch hier scheint mir das „Lustprinzip“ ein guter Kompass! Dann lässt sich auch der Pflichtstoff leichter bewältigen.

 

Das Gespräch mit Prof.in Dr. Hanneliese Steichele führte Prof. Peter Orth