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Migration und Integration

Migration und Integration sind gesellschaftlich hochbedeutsame Themen, denen sich die Katholische Hochschule Mainz aus wissenschaftlichem Interesse und christlicher Verantwortung heraus in besonderer Weise widmet. Als Querschnittsthemen durchziehen sie alle Ebenen, Aufgaben und fachlichen Themen der Hochschule. 

Sie sind sowohl auf der zentralen Ebene als auch der Ebene der Fachbereiche angesiedelt

Sie betreffen die klassischen Aufgaben der Forschung und Lehre sowie die ‚third mission‘ aus wissenschaftlicher Weiterbildung, praxisbezogenem Wissenstransfer und gesellschaftlichem Engagement

Sie knüpfen an die sozialen, gesundheitlichen und pastoralen Fachthemen der Hochschule an

Migration

Migration, übersetzt Wanderung, ist eine Form von Mobilität und im allgemeinsten Sinne eine „auf einen längerfristigen Aufenthalt angelegte räumliche Verlagerung des Lebensmittelpunktes“ (Jochen Oltmer) von Menschen. Diese sind als einzelne Menschen, kleine oder große Gruppen mobil. Bei der internationalen Migration überschreiten sie eine oder mehrere Staatsgrenzen, bei der weitaus häufigeren Binnenmigration verbleiben sie in einem Staatsgebiet.

Formen sind Ab- bzw. Auswanderung und Zu- bzw. Einwanderung, so dass Mobilität sowohl ein Merkmal der/des Einzelnen ist, als auch der verschiedenen Räume, die gleichsam durch Bewegungen charakterisiert sind und entsprechend Wandel unterliegen. Zunehmend spielen flexible Migrationsformen eine wichtige Rolle: Menschen migrieren einmalig oder wiederholt, mit oder ohne Rückkehr ins Herkunftsland, oder richten sich mittel- bis langfristig auf eine Pendelexistenz ein.
 
Auch die Gründe für Migration sind unterschiedlich. Mal müssen Menschen ihre Heimat verlassen: staatlich gezwungen (Zwänge wie Deportation, Evakuierung, Umsiedlung, Vertreibung) oder aus Angst vor Gefahr (Flucht vor Kriegen, Umweltkatastrophen). Mal wollen sie gehen: aus Hoffnung auf ein besseres Leben (z.B. um der Arbeit willen) oder in Entscheidung für ein anderes Leben (z.B. um der Liebe willen). Mal treten die Gründe neben- und miteinander auf, und sehr häufig sind sie nicht ohne weiteres zu kategorisieren. Wenn mein Kind in Chaos und latenter Gewalt aufwachsen muss, keine Chance auf Bildung oder berufliche und damit persönliche Entwicklung hat – ist Migration dann eine offene Entscheidung oder eine Form des Zwangs?

Die Katholische Hochschule Mainz konzentriert sich auf die internationale Migration. Diese nimmt sie aus der Perspektive der Ankunftsländer in den Blick, und zwar der europäischen, insbesondere Deutschlands. Sie interessiert sich für die gesamte Bandbreite von Migrationsphänomenen, in Anwendung sowohl auf spezifische Gruppen als auch auf umfassende, gesamtgesellschaftliche Fragen, die sich aus Migrationsprozessen ergeben.

Integration

Die Vokabel ‚Integration‘ wird im politischen Sprachgebrauch in Deutschland meist auf den Sachverhalt der Migration unter dem Aspekt der Zuwanderung bezogen. Davon zeugt die  häufige Verwendung des  Wortpaares ‚Migration und Integration‘. In diesem Zusammenhang ist Integration eine „politisch-soziologische Bezeichnung für die gesellschaftliche und politische Eingliederung von Personen oder Bevölkerungsgruppen, die sich beispielsweise durch ihre ethnische Zugehörigkeit, Religion, Sprache etc. unterscheiden.“ (Klaus Schubert/Martina Klein 2016).

Es ist jedoch von zentraler Bedeutung, sich zunächst vor Augen zu halten, dass Integration sich auf ein Verbinden von Differenz im Prinzip bezieht – und Differenz ist ein allgemeines Merkmal des Sozialen und von Gesellschaften überhaupt. Das heißt, ‚wir‘ sind sowieso unterschiedlich, Übereinstimmung und Unterschiedlichkeit sind immer graduelle und als solche interpretierte Phänomene. Integration ist damit eine generelle gesellschaftliche Daueraufgabe. Der genaue Grad, zu dem eine Gesellschaft homogen sein sollte, ist dagegen praktisch kaum zu bestimmen – und ob homogenere Gesellschaften gleichsam besser funktionieren als heterogenere ist ebenfalls so nicht zu beantworten.

Dennoch wird Integration in der Regel zunächst als Erwartung der ‚Eingesessenen‘ an die ‚Neuen‘ gedacht und formuliert. Dann geht es eigentlich um Anpassung, um Assimilation, die in verschiedenen Bereichen erfolgen kann bzw. soll, beispielsweise  in struktureller und kultureller und auch in sozialer und identifikativer Hinsicht: z.B. in das Bildungs- und Beschäftigungssystem (strukturell) und in die nationale Sprache (kulturell), in lokale Gemeinschaften (sozial) und das kollektive Identitätsgefühl (identifikativ).

Somit ist der Begriff ‚Integration‘ soziologisch umstritten, weil er in dieser Prägung die Last schon sprachlich individualisierend und einseitig den ethnisch und/oder kulturell als ‚anders‘ definierten Menschen aufbürdet und damit unausgesprochen (nur) eine bestimmte Integrationspolitik fordert.

Dagegen geht es uns um das genauere Ausloten dieses Begriffs in seinen verschiedenen analytischen, politischen und auch alltagssprachlichen Facetten, die uns gleichzeitig wichtiger Anlass zu systematischer Selbstreflexion und -verortung sind.